

In diesem Kapitel plaudere ich aus dem
Nähkästchen, was mir bei der Gründung der eigenen GmbH widerfahren ist.
Am 02. Januar war Notartermin. Den
Gesellschaftervertrag und die -liste hatten wir vorbereitet.
Der Termin lief normal ab. Danach zur
Gemeinde, eine Anmeldung machen. Das war denkwürdig. Im letzten Jahr hatte ich
mich noch erkundigt, ob an diesem Tag geöffnet sei. Nicht gerade Begeisterung
kam durch den Hörer entgegen. Es wurde durchgestellt und schließlich ein
gedehntes, ja, wenn Sie kommen wollen.
So stand ich dann mit einer
vorausgefüllten Gewerbeanmeldung im überfüllten Flur. Es gab keine deutliche
Beschilderung. Standesamt fand ich nicht passend, ich ging durch die Flure und
fand schließlich ein Schild mit „Ordnungsamt“, dort klopfte ich, wurde
hereingebeten und fragte, ob ich hier richtig sei. Etwas abschätzend wurde ich
beäugt und gefragt, ach Sie wollen die GmbH anmelden? Ich bejahte,
übergab meine Papiere und umständlich wurde im PC gesucht, eine Kollegin zu
Hilfe gerufen. Inzwischen waren auch meine beiden Mitgesellschafter angekommen.
Es hatte den Anschein, ich sei in
Büttenwarder gelandet, werde den Ort jedoch hier Mottenhausen und den
Landstrich Kaffingen nennen. Umständlich wurde die Gewerbeanmeldung in über
einer Stunde durchgeführt. Ich saß zwischen Stapeln von Katalogen, die überall
auf dem Boden verteilt waren und dem unordentlichsten Schreibtisch, den ich je
gesehen hatte. Meine ehemaligen Kollegen würden jetzt lachen, denn ich teilte
über Jahre das Büro mit einem Kollegen, der für sein Bürochaos berüchtigt war.
Ich sehnte mich nach dessen Ordnungssinn zurück.
Mir gingen in dieser Zeit viele
Gedanken durch den Kopf. Ob es wirklich so eine gute Idee war, in der Provinz
gründen zu wollen? Klar, Minister Althusmann will Niedersachsen zum Gründerland
machen, spricht von Beschleunigung und nun erlebte ich hautnah die
schnarchigste Büromannschaft aller Zeiten. Ich bin über 50, habe schon viel
gesehen, aber dies???? Meine Gesellschafter rollten mit den Augen und ich
musste Contenance bewahren. Der Mitarbeiter schaute, sah sich meine bereits
vorausgefüllten Formulare an, schüttelte den Kopf, suchte das Formular im
Computer und, als er es endlich fand, brach er seine Eingabe ab. Er schrieb mit
zwei Fingern, waren sicher schon 8 Zeichen als er aufgab! Er rief erneut nach
der Kollegin, die kurz zuvor im Nebenraum verschwunden war. Er bat sie, hier
doch mal weiterzumachen und verschwand nebenan. Was da wohl Interessantes los
ist?
Die Kollegin ließ sich schwerfällig
auf den Stuhl sinken und fing an zu tippen, viel schneller als der Kollege,
aber nicht ohne die Nachfrage, ob der gesamte Geschäftszweck mit eingetragen
werden muss. Ja, muss. Ein Seufzer und die Zeit zog sich wie Raclettekäse.
Nun wurde wieder der Kollege gerufen,
man suchte gemeinsam nach Formularen. Einerseits waren die dort sehr hilflos,
da wurden meine sozialen Instinkte geweckt. Andererseits war ich kurz davor zu
fragen, ob dies die erste Gewerbeanmeldung ihres Lebens sei. Zur Entschuldigung
wurde etwas von neuen Formularen
gemurmelt.
Es dauerte und dauerte, der
Fortschritt war langsamer als eine Neuinstallation von Windows.
Mir wurden schließlich Papiere
ausgehändigt, die allerdings die Meldung für das Finanzamt waren. Auf meinen
Hinweis kam erst Protest, dann aber Suche zwischen den Papieren. Ich zahlte
noch die 26€ Gebühr und erhielt die Quittung. Irgendwann war ich zwischen
belustigt und bestürzt wieder draußen und dachte, in der freien Wirtschaft
hätte man sich diese Ahnungslosigkeit nicht leisten können.
Danach ging es zur Post, mich
identifizieren lassen für das Bankkonto. Klappte schnell, die Dame in der
Postagentur in Mottenhausen weiß, was sie tut!
Am nächsten Abend vergnügte ich mich
noch mit den Formularen der Berufsgenossenschaft. Unklar, wer für mich
zuständig ist. Also Formulare ausgefüllt, relevante Dateien angehängt und ab an
die Clearingstelle.
Am Tag darauf erhielt ich einen Anruf
von meiner Bank. Man bräuchte ein Auszug aus dem Handelsregister. Ich erklärte,
den hätte ich nicht, ich müsse ja erst dem Notar die Einzahlung des
Stammkapitals nachweisen und dafür brauche ich ein Konto. Der Herr, Vorname
Kevin, unbelehrbar. Ja, dann kann man kein Konto eröffnen. Nun erklärte ich ihm
die Schritte der Gründung einer GmbH. Hm, meinte er, dann eben eine Erklärung
des Notars, dass er die Firma beim Handelsregister anmelden wird. Ich habe ihm
erklärt, der Besuch beim Notar sei eben genau für diesen Zweck. Man macht einen
Gesellschaftervertrag, erstellt eine Gesellschafterliste und er meldet an.
Dafür muss ich ihm dann sein Honorar nach Gebührenordnung überweisen.
Schließlich übermittelte ich den
Gesellschaftervertrag und die Gewerbeanmeldung aus „Mottenhausen“ ohne Bestätigung
des Notars und am nächsten Tag hatte ich ein Konto, auf das wir unser
Stammkapital überweisen konnten. Diesen Auszug ließ ich dem Notar genau eine
Woche nach dem Notartermin zukommen, nicht ohne vorher die E-Mailadresse
nachgeprüft zu haben, denn es steht immer noch der vor 7 Jahren ausgeschiedene
Partner mit in der E-Mailadresse des Providers, von dem ich dachte, niemand hat
da noch eine Adresse. Ok, die Digitalisierung schleicht sich in gewisse
Berufsgruppen auf dem Land später ein.
Bei Privatmenschen ist das anders, da
ist schnelles Internet ein Statussymbol. Braucht man da auch: für die
Landwirtschaft, zum Shoppen und zum Dating 😉 Kleiner
Scherz.
Die Rechnung für den Notar kam dann an
einen Gesellschafter. Nicht an die Firma, nicht an mich als Geschäftsführerin,
nein den Gesellschafter. Die Überweisung ging am 16.01. raus.
Nun wartete ich auf Neuigkeiten vom
Amtsgericht. Mit Datum vom 14.01., Ankunft bei der Firma am 17.01., wurde eine
Vorschusskostenrechnung gesandt, in ziemlich harschem Ton, nach dem Motto 150 €
her oder es gibt keinen Eintrag. Ich zahlte sofort. Telefonisches Nachhaken
unerwünscht. Eine Woche lang passierte – nichts. Eigenartig, hatte ich doch
gehört, dort sei man sehr schnell.
Mitte der Woche erhielt ich Post vom
Finanzamt. Klar, die Steuernummer muss beantragt werden, aber keine Neuigkeiten
in Sachen Handelsregister und die Nummer soll ich dort angeben….
Die Berufsgenossenschaft schreibt, hat
Kenntnis über die Gründung vom Gewerbeamt. Lustig, wo ist meine stundenlange
Formulararie abgeblieben? Ich habe per Mail nachgehakt, keine Antwort. Wieso
soll mir auch jemand antworten?
Am Samstag, 25. Januar, verlor ich die
Nerven und schrieb eine Mail ans Registergericht, ob man mir den Stand der
Dinge mitteilen könne. Es ist eine Sammelmailadresse, wer weiß, ob die dieses
Jahr noch verteilt wird?
Montag, 27. Januar, füllte ich alles
für das Finanzamt aus. Muss ja weitergehen. Inzwischen war mir ein Geschäft
geplatzt wegen fehlender Steuernummer und auch so bin ich nirgends handlungsfähig.
Ohne Handelsregistereintrag und Steuernummer kann man sich weder auf
Plattformen, noch für Finanzdienste anmelden, alles hängt in der Luft.
Am Morgen des 28. Januar erreichte ich
das Registergericht. Dort bekam ich zur Auskunft, dass die Anmeldung fehlerhaft
sei, Dokumente fehlten obendrein. Somit versuchte ich den Notar zu erreichen.
Da ich niemanden ans Telefon bekam, schickte ich entnervt eine Mail.
Guten Morgen Herr XXXXX,
leider
hatte ich telefonisch keinen Erfolg, darum meine Nachfrage per Mail.
Es ist
immer noch kein Eintrag beim Handelsregister erfolgt. Auf Nachfrage beim
Amtsgericht wurde mir mitgeteilt, dass man Sie am 15.01.2020 kontaktiert hätte,
da noch Angaben fehlen. Kann ich zur Klärung beitragen?
Ich bin
aktuell ohne den Eintrag plus fehlender Steuernummer nicht handlungsfähig, kann
meine Umsatzsteuervoranmeldung nicht elektronisch übermitteln und verliere
bereits Geschäft.
Bei
Fragen stehe ich Ihnen unter 0172 4xxxx zur Verfügung.
Mit
freundlichen Grüßen
Um 10:30 Uhr erreichte ich eine
Mitarbeiterin des Notars. Ich erklärte, dass es wohl ein Problem mit der
Anmeldung gäbe. Leicht genervt, sie sei allein und darum würde sich die
Kollegin kümmern. Ich ließ sie nicht vom Haken. Ich brauche die Klärung, habe
schon Geschäft verloren, Kosten laufen und der Fehler liegt nicht bei mir. Die
Antwort war, dann läge es wohl in der Post des Herrn Notar. Ich überlegte einen
Sekundenbruchteil, ob ich nicht ins Auto springen und die 90 km hinfahren
sollte, um sie zu schütteln. Glücklicherweise hatte ich meine Impulskontrolle
nach einer Viertelsekunde wieder zurück, dachte an die Erklärung, die ich als
Geschäftsführerin unterzeichnet hatte. Für den begrenzten Erkenntnishorizont
kann schließlich niemand etwas.
Letztendlich überredete ich sie, doch
mal zu schauen, denn die Post vom Registergericht sollte am 16. Januar
eingegangen sein. War sie auch. Nun versuchte ich ihr noch klar zu machen, dass
ich 4 Wochen zur Klärung habe, 2 sind schon verstrichen. Es drängt.
Schließlich erklärte sie, die Post sei
an den anderen Gesellschafter gegangen. Ich klärte sie darüber aus, dass sie
Post gern an die Firma oder mich als Geschäftsführerin senden darf und gab ihr
meine Kontaktdaten.
Mit ihrer Mail erhielt ich Dokumente,
die mir anzeigten, dass die Gesellschafterliste mit einem falschen Prozentsatz
bei einem Anteilseigner gesandt wurde und ein Dokument offensichtlich im Büro
verloren ging.
Sehr verehrte Frau von
Ahn,
Anbei die gewünschten
Unterlagen.
Mit freundlichen Grüßen
i.A. xxxx
Eine Antwort konnte ich mir nicht
verkneifen:
Sehr geehrte Frau xxxx,
vielen Dank.
Bei meinem Mitgesellschafter ist nichts angekommen. Es wäre sinnvoll,
entweder die Firmenadresse oder mich als Geschäftsführerin anzuschreiben.
Bei derart drängenden Angelegenheiten hätte ich mir auch gewünscht, wenn
Briefe schneller versandt würden.
Man hätte meinen Mitgesellschafter oder mich anrufen können, dann wären wir
selbst tätig geworden und hätten Sie aufgesucht. Mein Mitgesellschafter hat
gerade mehrfach versucht, Sie zu erreichen, leider geht niemand ans Telefon.
Die Firma und ich haben inzwischen wirtschaftliche Nachteile. Auch
beschleicht mich das Gefühl, dass man in Niedersachsen vielleicht noch gar
nicht reif ist für Gründerinnen oder Frauen als Geschäftsführerinnen, wenn ich
permanent übergangen werde. In meinen in 26 Jahren Selbständigkeit in Hamburg
und als Existenzgründungsberaterin hier habe ich glücklicherweise angenehmere
Erfahrungen gemacht. Dazu verfasse ich gerade ein Buch und werde nun um diesen
unsäglichen Abschnitt erweitern müssen.
Ich verlege Termine und fahre Donnerstag zu meinem Mitgesellschafter, damit
er seine Unterschrift leisten kann. Dann zurück nach Freiburg.
Falls ein weiterer Termin notwendig wird, mein dritter Gesellschafter
bekommt keinen Urlaub. Wen nehme ich in Haftung für entgangenes Geschäft?
Beste Grüße
Karin von Ahn
Es kam am Nachmittag ein Brief vom
Notar beim Mitgesellschafter an. Wir telefonierten gerade darüber. Er sagte,
die Dame hätte ihm gesagt, ich hätte längst Post dazu erhalten. Eine glatte
Lüge.
Der Brief war am 22.01. verfasst
worden und der Poststempel war vom 27.01. Am 28.01. war der Brief da.
Wieder rief ich beim Notar an, zwecks
Klärung. Schnippisch bekam ich die Auskunft, der Herr Notar hätte keine Zeit,
er hätte Termine. Ich sagte ihr, ich hätte bald ganz viel Zeit, weil durch den
Fehler im Notarbüro meine Firma nicht eingetragen wird, ob sie die Kosten
übernehmen wolle? Plötzlich sollte der Notar zurückrufen, ich gab ihr meine
Nummer, denn ein Display hat sie nicht.
Der Rückruf kam. Für den Notar nicht
tragisch, halb so wild, muss ich halt hinfahren und unterzeichnen und ach, den
Fehler in der Liste soll ich auch rausnehmen, ist ja leider einer drin. Ich
erklärte, dass ich inzwischen durch diese Verzögerung Nachteile hätte, das fand
er nicht schlimm. Er zahlt ja auch nicht meine Rechnungen. Apropos Rechnung:
Da sieht man mal, wie viel Spaß für
fast 800€ Notargebühr man bekommt.
Am 30.01. machte ich mich auf die
Reise zum Notar. Dort unterschrieb ich zwischen Tür und Angel noch einmal die
Erklärung des Geschäftsführers und nahm die korrigierte Gesellschafterliste
mit. In der Firma fiel dann auf, dass der Notar offensichtlich eine
Rechenschwäche hat. Die Prozentangabe stimmte nicht mit den Anteilen überein.
Also Korrektur und noch einmal das Ganze.
Am 04.02. hakte ich im Notariat telefonisch nach, ob die Anmeldung inzwischen veranlasst wurde und bereute es schnell. Die kompetente Mitarbeiterin meinte, doch, man hätte doch einen Brief an den Mitgesellschafter geschrieben. Aufklärung meinerseits, Briefe bitte immer an die Firmenadresse oder die Geschäftsführerin, also mich. Sie dann entrüstet: Habe ich per Mail an Sie geschickt. Ich sagte Ihr, bei mir wäre nichts eingegangen. Abgleich der E-Mailadresse. Sie bestand darauf, es an diese Adresse geschickt zu haben. Erneuter Abgleich und es kam heraus, dass sie einen anderen Provider angegeben hatte. Sie sagte, sie schickt es noch einmal, aber morgen sie ja auch die Kollegin wieder da.
Meinen Mitgesellschafter setzte ich
vom Stand der Dinge in Kenntnis, avisierte die Post und bat ihn, doch mal kurz
mit 2 kg Bregen (Hirn) dort in Mottenhausen vorbeizufahren.
Am 05.02. kam die Mail vom Notar, mit
den Unterlagen zur Registeranmeldung. Dieses Mal fand der Brief schneller den
Weg zur Post und die Eintragung war tatsächlich da!
Sign in/up with Facebook
Sign in/up with Twitter
Sign in/up with Linkedin
Sign in/up with Google
Sign in/up with Apple
Wouldn't it be a good idea to create a course?